Dieser Blog ist ein Pilzblog!
Aktualisiert: 13. Juli
Dieser Blog ist ein Pilzblog! –
Zugegeben, der Satz ist unsinnig. Ein Blog über das Markus-Evangelium kann nicht zugleich ein Pilzblog sein. Ähnlich unsinnig, zumindest aber irritierend, sind viele Sätze des Mk. Wobei der Verfasser, und auch das sei hier zugegeben, seinen Akteuren zwar giftige Bemerkungen in den Mund legt, nicht aber einen einzigen Pilz.
Wie auch sonst in der Bibel sind Pilze bei Mk kein Thema. Akzeptabel wäre der Satz nur, wenn ein wie eingeschoben würde: Dieser Blog ist wie ein Pilzblog. Was kaum jemanden interessieren, geschweige denn einen Shitstorm in der Pilzblogger-Szene auslösen dürfte. Pilze lassen sich zwar in Bildern wie den Pilzköpfen erkennen, nicht aber in Pilzblogs mit so bodenlosen Vergleichen wie diesem.
Das Wörtchen wie signalisiert einen Vergleich, hier den Vergleich dieses Blogs mit einem Pilzblog. Die Analogie lädt dazu ein, das Vergleichsmoment zu benennen, den Vergleich aufzulösen und zu erklären, warum er wie ein Pilzblog sei. Bei Mk ist ein solches Entschlüsseln unerlässlich, weil der Unsinn und die Irritation darüber gewollt sind.
Vergleiche lassen sich auf vielerlei Weise ausdrücken. In der Bibel gibt es unzählige Bilder, die auch ohne die Konjunktion wie unmittelbar verständlich sind. Das bekannteste: Der Herr ist mein Hirte. Ursprünglich war das Bild noch direkter: Der Herr weidet mich.
Niemand wird das Bekenntnis Gott ist mein Felsen wörtlich verstehen (Ps 18,3). Das Bild braucht keine Auflösung, zumal es in dieser absoluten Gleichsetzung viel stärker ist als im gewöhnlichen Vergleich (Gott ist wie mein Felsen).
In der Version der Septuaginta, in der griechischen Übersetzung des Psalms, ist die Gleichsetzung zwar als solche beibehalten, doch die Formulierung ersetzt durch eine vergleichsweise farblose Wendung (Gott ist meine Feste; Ps 17,3 LXX).
Ähnliches geschieht in der Septuaginta oft, und zwar immer dann, wenn Gott mit einem Felsen gleichgesetzt wird. Erklärungen dazu gibt es, sie schießen aber nicht wie Pilze aus dem felsigen Boden der Theologie.
Mit ein- und demselben Bild, hier mit dem der Pilze, lässt sich Unterschiedliches verbinden. Deutungsoffene Metaphern machen je unterschiedliche Auslegungen möglich, auch in einem Pilzblog wie diesem.
Eine Botanikerin oder ein Mykologe wird ihn vor allem nach wissenschaftlichen Kriterien beurteilen. Anders die Pilz-Sammlerin, die mehr auf den Genusswert achten oder Speisepilze von giftigen unterscheiden will. Ein Koch fragt nach der besten Zubereitung; dafür wird er wieder andere Maßstäbe setzen.
Dieser Blog ist ein Pilzblog, der alle drei irritieren will: Die Wissenschaftler:innen, weil weder die Methode, noch die Ergebnisse ihren Standards entsprechen. Die Pilz-Sammlerin, weil sie zu viele Informationen vorfindet, die für ihren Bedarf unerheblich sind, und den Koch, der für die Feuerstelle der Kirche hier kein brauchbares Rezept findet.
Die Gleichsetzung des Blogs mit einem Pilzblog verlangt ebenso nach einer Auflöung wie die bilderreiche Erzählung des Mk. Sein Text ist vielfach rätselhaft, voller irritierender Aussagen, weil kunstvolle Bilder und Rätsel ein Merkmal seiner Erzähltechnik sind. Wie sie aufzulösen sind, bleibt offen.
Der anonyme Autor gibt uns, den Leser:innen des Mk, noch heute manche harte Nuss zu knacken. Um im Bild zu bleiben: Er bietet uns ein Pilzgericht an, das Spuren von harten Nüsse enthält. Es schmeckt uns vielleicht auch dann noch, wenn wir sie nichtsahnend herunterschlucken.
Bei genauer Untersuchung der harten Nüsse des Mk lassen sich Rückstände giftiger Pilze entdecken. Solche Funde könnten die Wissenschaftler:innen interessieren, die Hinweisen auf historische Vergiftungen nachgehen, die Sammlerinnen, die Pilze wegen ihrer erstaunlichen Schönheit sammeln, und die Köche, die nicht mehr mit Dosenpilzen arbeiten wollen.
Dieser Blog spürt die unter der Erd-Oberfläche verborgenen Pilze auf und damit ihr Myzel, das hochkomplexe Netz ihrer unterirdischen Verbindungen. Er möchte die kunstvollen Rätsel der Erzählung und die Giftigkeit ihrer Bilder benennen, freilich ohne einen Atompilz zu provozieren.
Im Unterschied zum Text des Mk geht es hier nicht um den richtigen Glauben, sondern um die Frage, warum so viele Stinkmorchel, warum sogar Giftpilze auf felsigem Boden gedeihen konnten. Vergiftungen durch den Vatikan wird er schon nicht auslösen, wenn dabei das Urgestein der Kirche in Frage steht. Und bisher ist von einem Shitstorm nichts zu spüren.
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