Die Geschichte der Entsendung der Zwölf (Mk 6,7-13)
- martinzoebeley
- 26. Jan. 2024
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 20. Apr.

Diese Geschichte zeigt einmal mehr den ironischen Witz, den Mk seinem Jesus in den Mund legt. Sie ist eine Ätiologie, die den Apostel-Titel der Zwölf begründet – und zugleich eine kunstvolle Satire, mit der Mk sich über eben diesen Titel lustig macht.
Sie bezieht sich auf die vorausgehende Berufung der Zwölf (3,13ff). Nach ihrer Einsetzung sollten sie ausdrücklich mit ihm sein, bereit zu apostolischen Aufträgen (3,14; vgl. https://www.skandaljuenger.de/post/die-geschichte-der-einsetzung-der-zwölf-mk-3-13-19).
Die Zwölf aber gehorchen schon dem ersten Auftrag nicht. Die kurze Einleitung zur Entsendung zeigt, dass sie keineswegs mit ihm waren: Jesus muss sie erneut herbeirufen (6,7; vgl. 3,13).
Dieser einleitende Hinweis, dass Jesus die Zwölf zu ihrer Entsendung eigens zu sich ruft, bedeutet zugleich, dass sie bei seiner Lehre in den Dörfern nicht dabei waren (6,6). Wenn sie aber seine Lehre nicht hören, werden sie selbst auch nichts davon lehren können.
Mit ihrer Entsendung treten sie jedenfalls nicht mehr als Schüler auf, sondern als Lehrende (6,30), ohne dazu beauftragt zu sein. Der Erfolg ist fragwürdig. Zwar war der Name Jesus bekannt geworden (vgl. 6,14), doch hält man ihn vorher wie nachher für den auferweckten Johannes d.T., für Elia oder für einen der Propheten (6,15, vgl. 8,28), mithin nur für einen Menschen.
Während die Schüler also unterwegs sind und tun, wozu sie nicht beauftragt sind, wird an der Enthauptung des Johannes gezeigt, welche makabren Folgen der Königs-Titel haben kann. Mit dem Begriff für Haupt (gr. kephalē) spielt Mk auf den Ersten der Zwölf an, auf Kefas alias Petros. Ihm wirft Jesus vor, nur das im Sinn zu haben, was Menschen wollen (8,33)
Als Apostel disqualifizieren sie sich selbst. Gesandte haben den Willen ihres Auftraggebers zu erfüllen, wie auch Jesus seinerseits den Willen dessen erfüllt, der ihn gesandt hat (vgl. 9,37). Tatsächlich aber zeigt das Verhalten der Zwölf eine groteske Ignoranz. Sie führen nicht aus, wozu sie von Jesus bevollmächtigt sind; sie tun, was sie wollen, wie die Vollzugsmeldungen belegen (6,12.13.30)
Bei ihrer Einsetzung hatte Jesus ihnen noch die Vollmacht über die Dämonen zugedacht (3,15). Die aber hatte zur Folge, dass die (jüdischen) Schreiber ihm unterstellen, er wolle mit dem Ersten der Dämonen (alias mit Petros, dem Satan, vgl. 8,33) die Dämonen auswerfen (3,22).
Der Erste der Zwölf ist das Problem und offenbar ein Anlass, diese Befugnis zu reduzieren. Bei ihrer Aussendung erteilt Jesus ihnen nur noch die Vollmacht der Unreinen Geister (sic! 6,7). Die sind in den Aposteln selbst offensichtlich wirksam in den unreinen Jesus-Bildern, die trotz ihrer Entsendung und wegen ihrer Lehre in Umlauf bleiben.
Das mag die Ironie erklären, die in der Geschichte der Entsendung zu erkennen ist, vor allem in den beiden kaustischen Aufträgen, die Jesus ihnen erteilt. Jüdischem Zeugenrecht entsprechend entsendet er sie paarweise (6,7).
Dass sie bei der Erfüllung der Aufträge keine Zeugen für ihn sein werden, geht schon daraus hervor, dass sie nur dort ein Zeichen setzen sollen, wo man sie nicht hört. Da sollen sie ihnen zum Zeugnis ein Zeichen des Todes setzen, indem sie den Staub von ihren Füßen abschütteln (6,11).
Wo man sie aber aufnimmt, sollen sie bleiben, bis sie wieder herausgehen (6,10). So zeigt Mk mit beißendem Spott, was sie im Haus, am Ort der christlichen Lehre, zu tun haben. Wären sie dazu befugt, könnten sie eine Botschaft verkünden, ein Zeichen für Jesus setzen, das Mahl feiern. Das alles lässt Jesus nicht zu; sie sollen nichts tun - und schon gar nichts über ihn sagen.
Ironisch sind auch die vorangestellten, vergleichsweise ausführlichen Angaben zu ihrer Ausrüstung zu verstehen. Da redet Jesus sich gleichsam selbst in Fahrt dadurch, dass Mk ihn von der dritten Person zur ersten und damit zum direkten Befehl wechseln lässt (6,8ff). Das vergrößert das Gefälle zu den beißend-belanglosen Aufträgen danach.
Sie sollen also nichts tragen als nur einen Stock, das heißt, sie brauchen ihr Kreuz nicht zu tragen (vgl. 8,34; 15,21). Der Stock lässt sich hier nicht einfach nur als ein vergleichsweise leichter Wanderstab deuten, er ist pikanterweise auch ein königliches Machtsymbol, ein Szepter, doch ausdrücklich nur ein einziges.
Ferner sollen sie von vorneherein kein Brot mitnehmen, also nicht über das Lebensmittel der geistlichen Sättigung verfügen. Das Mahl werden sie nach ihrer Rückkehr ohnehin nicht feiern können, weil sie dazu viel zu beschäftigt sind (6,31). Woher sie dennoch in der Wüste über fünf Brote verfügen, bleibt offen (6,38).
Ironisch gebrochen wirkt auch das Ideal der Armut, das Jesus mit seinen Anweisungen vorzugeben scheint. Sie sollen kein Kleingeld, kein Kupfer im Gürtel mitnehmen (6,8). Dabei spricht er nicht über ihren Reichtum, über ihr Silbergeld etwa (vgl. 10,23ff).
Die Vollzugsmeldung der Entsandten zeigt schließlich, wie ungehorsam die Zwölf sind, die nun doch Dämonen auswerfen, dazu viele Schwache mit Öl behandeln und sie auf die Weise zu Gesalbten machen, zu Christussen (6,13, vgl. 13,22). Ihre Heilungs-Bemühungen dürften damit so erfolglos sein wie die therapeutischen Maßnahmen Jesu zuvor (vgl. 6,5).
Erstaunlich ist zu Beginn ihrer Verkündigung deren Ziel (damit sie umdenken, 6,12), das an die Verkündigung von Johannes d.T. und Jesus anschließt (vgl. 1,4.15). So stellen die Zwölf sich gleichsam in eine apostolische Sukzession, freilich mit einer anderen Lehre, wenn sie am Christus-Titel festhalten.
Bezeichnend ist dabei, dass Mk die Zwölf erst nach ihrer Rückkehr und nur dieses eine Mal Apostel nennt (6,30). Da berichten sie, wieviel sie getan und wieviel sie gelehrt haben, sprechen also offen über ihren eigenmächtigen Aktionismus, wobei der Begriff für ihren Bericht andeutet, was sie versäumt haben: Sie haben eben nicht das Evangelium verkündet (apangellein; 6,30; vgl. parangellein in 6,8).
Abschließend folgt hier die Geschichte der Entsendung der Zwölf im Wortlaut des Mk samt deutscher Übersetzung (6,7-13; 6,30).
7 Καὶ προσκαλεῖται τοὺς δώδεκα
Und er ruft herbei die Zwölf.
καὶ ἤρξατο αὐτοὺς ἀποστέλλειν δύο δύο
Und er begann, sie zu entsenden, zwei um zwei.
καὶ ἐδίδου αὐτοῖς ἐξουσίαν τῶν πνευμάτων τῶν ἀκαθάρτων,
Und er gab ihnen Vollmacht der unreinen Geister.
8 καὶ παρήγγειλεν αὐτοῖς ἵνα μηδὲν αἴρωσιν εἰς ὁδὸν εἰ μὴ ῥάβδον μόνον,
Und er befahl ihnen, dass sie nichts tragen sollten auf dem Weg, außer einem Stab nur.
μὴ ἄρτον, μὴ πήραν, μὴ εἰς τὴν ζώνην χαλκόν,
Kein Brot, keine Tasche, kein Kupfer [-geld] im Gürtel!
9 ἀλλ’ ὑποδεδεμένους σανδάλια, καὶ μὴ ἐνδύσησθε δύο χιτῶνας.
Aber untergebundene Sandalen! Und zieht keine zwei Untergewänder an!
10 καὶ ἔλεγεν αὐτοῖς·
Und er sprach zu ihnen:
ὅπου ἐὰν εἰσέλθητε εἰς οἰκίαν, ἐκεῖ μένετε ἕως ἂν ἐξέλθητε ἐκεῖθεν.
Wo immer ihr hineingeht in ein Haus: dort bleibt, bis ihr hinausgeht von dort.
11 καὶ ὃς ἂν τόπος μὴ δέξηται ὑμᾶς μηδὲ ἀκούσωσιν ὑμῶν,
Und welche Stelle auch immer euch nicht aufnimmt und sie euch nicht hören,
ἐκπορευόμενοι ἐκεῖθεν ἐκτινάξατε τὸν χοῦν τὸν ὑποκάτω τῶν ποδῶν ὑμῶν
heraustretend von dort, schüttelt den Staub unter euren Füßen ab,
εἰς μαρτύριον αὐτοῖς.
ihnen zum Zeugnis.
12 Καὶ ἐξελθόντες ἐκήρυξαν ἵνα μετανοῶσιν,
Und hinausgehend verkündeten sie, damit man umdenke.
13 καὶ δαιμόνια πολλὰ ἐξέβαλλον,
Und sie warfen viele Dämonen hinaus.
καὶ ἤλειφον ἐλαίῳ πολλοὺς ἀρρώστους
Und sie salbten mit Öl viele Schwache
καὶ ἐθεράπευον.
und behandelten sie (6,7-13).
[...]
30 Καὶ συνάγονται οἱ ἀπόστολοι πρὸς τὸν Ἰησοῦν
Und es versammeln sich die Gesandten bei Jesus
καὶ ἀπήγγειλαν αὐτῷ πάντα
und sie berichteten ihm alles:
ὅσα ἐποίησαν καὶ ὅσα ἐδίδαξαν.
wieviel sie machten und wieviel sie lehrten.
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